Christian Zipfel ist Preisträger. 2017 gewann er den “Arc der Sinne” mit seinem Film The Bleak Farm. Alica Humm freute sich bereits auf das Interview über sein neues Werk.
Photography: Niklas Doka
Alica: Wir freuen uns sehr, dass Du wieder hier bist. Bitte stell Dich doch kurz vor und erzähle uns welchen Film Du dieses Jahr präsentierst.
Christian: Ich bin Christian Zipfel, studiere in Babelsberg an der Filmuniversität und präsentiere hier auf dem Arc meinen experimentellen Dokumentarfilm “Erinnerungen aus Deutsch-Südwest”. Der Film befasst sich mit dem deutschen Kolonialismus in Namibia und dessen Spätfolgen. Ich habe historisches Archivmaterial auf Überreste deutscher Siedlungen projiziert, so werden die zwei Zeitebenen zusammengebracht und die Verbrechen, die damals passiert sind, wieder aufgedeckt und daran erinnert.
Alica: Gab es irgendwelche Probleme bei der Produktion in Namibia?
Christian: Ich habe vor Ort niemanden getroffen, der irgendwelche Probleme gemacht hat, ganz im Gegenteil. Es gibt ein ganz großes Verständnis und viel Interesse an meinem Film, da es ein Thema ist, was bei uns eigentlich konsequent ignoriert wird. Und da es natürlich die Leute vor Ort immer noch betrifft, vor allem die Herero und Nama Gruppen in Namibia. Für sie ist es immer noch ein sehr präsentes dramatisches Ereignis, obwohl es 110 Jahre her ist. In Deutschland war es jedoch schwierig die ganzen Rechte von den Archiven zu organisieren. Das war ein totaler bürokratischer Krieg und hat die Dreharbeiten erschwert.
Alica: Letztes Jahr warst du bei uns mit einem Spielfilm, dieses Jahr mit einem experimentellen Dokumentarfilm...
Christian: Ja, ich bin filmisch sehr breit aufgestellt, aber nicht weil ich denke, dass ich ein Universalgenie bin oder alles kann. Sondern weil ich der Meinung bin, dass die Form dem Inhalt folgen sollte und man nicht sagen sollte “Ich mache jetzt Spielfilm und nur das, weil das die Königsklasse ist”. Das ist jedoch leider oft der Fall, das sieht man an vielen Preisen, der Max-Ophüls Spielfilmpreis z.B. ist auf 35.000 Euro datiert und das Äquivalent im Dokumentarfilm sind 7000 Euro. Da spürt man Hierarchien, die ich unnötig finde. Aber unabhängig davon finde ich es interessant herauszufinden, welche Medienform die richtige ist. Ob das Spielfilm, Dokumentarfilm, 360 Grad ist, ist mir egal, solange die Form zum Inhalt passt.
Alica: Wie bist du zum Film gekommen?
Christian: Ich hatte eigentlich nie vor Regisseur zu werden. Es gibt keine romantische Geschichte, dass ich als kleines Kind Filme gedreht habe und es gibt auch bestimmt hundert andere Möglichkeiten wie ich im Leben glücklich werden könnte. Ich könnte auch kreativ in einer Konditorei arbeiten oder ein Café aufmachen... Ich finde es grundsätzlich spannend etwas Kreatives zu schaffen. Da habe ich viel ausprobiert im Bereich Fotografie, im Schreiben und in der Musik. Ich habe früher Heavy Metal Musik gemacht mit langen Haaren, war Bassist, voll cool, aber das ist lange her und dann habe ich ein Medium entdeckt, wo sich alle Kunstformen fusionieren lassen und das ist der Film. Oder erweitert Virtual Reality, wo es noch mehr Möglichkeiten gibt. Und deswegen ist Film das, was ich besonders gern mache.
Alica: Erzähl doch gerne etwas mehr zum Thema VR.
Christian: VR ist ein total hippes Thema gerade, jedes Festival, das nicht von gestern sein möchte, hat jetzt eine Virtual Reality Abteilung. Aber was total viel fehlt ist das Fachwissen, eigentlich ist es unfassbar selten, dass es in irgendeinem filmischen Bereich Fachkräftemangel gibt, bei VR ist jedoch das Gegenteil der Fall. Dabei ist es auf jeden Fall ein spannendes Feld, dass man erforschen muss. Es wurde in den letzten jahren unglaublich viel technisch geforscht, aber was ganz gerne zu kurz kommt sind die Fragen: Was kann man für narrativ sinnvolle Inhalte in diesen Film integrieren? Und wie erzähle ich überhaupt damit? Diese künstlerische Forschung ist meiner Meinung nach ein ganz spannender Faktor, mit dem ich mich auch gerade beschäftige.
Alica: Was sind deine Wünsche für die Zukunft?
Christian: Ich wünsche mir, dass im deutschen Fördersystem, das ja bewusst einen Bildungsauftrag hat und Kunstförderung betreibt, offener mit unkonventionellen Inhalten umgegangen wird. Dass der Mut existiert, dass Leute, die ihr Handwerk beherrschen und die neue, vielleicht riskante Wege gehen, unterstützt werden. Dabei sollte das Risiko des Scheiterns nicht von vornherein ein Ausschlusskriterium sein.